Hilfe, ich habe einen trockenen Alkoholiker eingeladen!?

„Hast Du schon gehört? Der Severin ist Alkoholiker und ist jetzt trocken!“ – „Das hab ich mir schon immer gedacht, so wie der früher den Wein bei uns weggezogen hat.“ – „Ja schon, aber jetzt kommt er am Freitag auf Dein Geburtstagsessen, was machen wir denn da?“

Nicht automatisch davon ausgehen, dass alle Alkohol trinken

Das Thema Alkoholismus ist – m.E. zu unrecht – immer noch ein großes Tabu in unserer Gesellschaft, ein offener Umgang damit immer noch nicht selbstverständlich. Daher sprechen viele trockene Alkoholiker ihre Krankheit nicht von sich aus an, was ich persönlich falsch finde und daher selbst mit meiner Alkoholkrankheit nicht hinterm Berg halte. Warum, habe ich hier beschrieben.

Jedenfalls: Wenn Sie zum Essen oder einer Party einladen, kann es also immer sein, dass ein trockener Alkoholiker dabei ist, von dem Sie es vielleicht gar nicht ahnen. Oder eine Schwangere, die es noch nicht öffentlich machen will. Oder jemand, der gerade Medikamente nimmt, mit denen sich Alkohol nicht gut verträgt. Ein Autofahrer, dem 0,0 Promille wichtig sind. Oder einfach jemand, dem Alkohol nicht schmeckt.

Man kann also nicht automatisch davon ausgehen, dass alle trinken. Und so kann es grundsätzlich nicht schaden, auch einige alkholfreie Getränke da zu haben, wenn man zu einer Party oder einem Essen einlädt.

Nicht zum Alkohol drängen

Und noch eine Sache finde ich generell wichtig: Niemand sollte zum Alkohol gedrängt werden. Sprüche wie „Ach komm, ein Glas zum Anstoßen geht doch!“ oder „0,5 Promille sind doch kein Problem, ein Bier kannst Du noch!“ sind meist schwierig. Genau so wie übertriebenes Nachfragen, warum jemand nicht trinkt – will jemand nichts trinken und sagt das auch, sollte man das einfach akzeptieren.

Und weiß man von jemanden, dass er ein Alkoholproblem hat, ist sich aber nicht sicher, wie er damit umgeht, kann man dezent signalisieren, dass man für das Thema offen ist, sollte es aber nicht zu offensiv und direkt ansprechen.

Alkoholfreie Ersatzgetränke – für manche Alkoholiker schwierig

Wer wegen des Themas Promillegrenze beim Autofahren kein normales Bier trinken will, wird sich über eine alkoholfreie Variante freuen. Ebenso wie die Schwangere, der man einen alkoholfreien Sekt anbieten kann. Manche Alkoholiker meiden aber aus gutem Grund die alkoholfreien Pendants, da sie davon getriggert werden, dazu mehr z.B. hier. Und manchen schmeckt es einfach nicht. Seien Sie also nicht enttäuscht, wenn die extra angeschaffte Alternative ohne Alkohol verschmäht wird.

Fragen kostet nichts – und was man da haben sollte

Wenn Sie bei jemanden den Verdacht haben, dass er – aus welchen Gründen nichts trinken will – kann es nicht schaden, im Vorfeld zu fragen, was auch ganz unverfänglich sein kann: „Du, wir gehen noch für die Geburtstagsfeier einkaufen, hast Du besondere Wünsche?“

Wenn Sie das nicht wollen, kann es nicht schaden, je nach Anlass und Größe der Feier auf jeden Fall genug Wasser und einige Softdrinks sowie ggf. alkoholfreies Bier und alkoholfreien Sekt dazuhaben. Geben Sie eine Cocktailparty sollten Sie auch hier eine alkoholfreie Alternative anbieten, z.B. einen alkoholfreien Gin Tonic oder einen Fruchtcocktail.

Alkohol im Essen

Ein weiterer Aspekt wird oft übersehen, spielt aber auch eine Rolle, wenn Sie Kinder unter den Gästen haben: Alkohol im Essen, besonders in Nachtischen. Wenn es also Tiramisu, Eierliköreis, Rumtopf oder Vodka mit Sorbet gibt, sollte auch eine alkoholfreie Alternative da sein. Und auch wenn Sie sonst gerne einen Himbeergeist in den Obstsalat kippen, kann es nicht schaden, eine zweite Portion ohne Alkohol zuzubereiten.

Für manche Alkoholiker ist es zudem ein Problem, wenn Saucen z.B. mit Rotwein zubereitet werden sollen. Persönlich stehe ich als Betroffener hier zwar auf dem Standpunkt, dass das im Regelfall kein so großes Thema ist, da der Alkohol ja verkocht ist und der Geschmack mich persönlich nicht triggert. Aber reagieren Sie nicht beleidigt, wenn jemand ein Gericht ablehnt, wenn es mit Alkohol zubereitet wurde.

Und extreme Fälle?

Für Einladungen mit den meisten Alkoholikern sollte man mit diesen Hinweisen gut hinkommen. Nun gibt es aber auch extreme Fälle, die gar keinen Alkohol in ihrem Umfeld riechen und ertragen können. Meine Antwort hierzu mag hart klingen, aber man kann eben nicht immer auf jedes Extrem Rücksicht nehmen. Sagt ihnen jemand, dass er nicht kommen kann, wenn Alkohol ausgeschenkt wird und für alle anderen Gäste sind Wein, Bier und Co. kein Problem oder gehören sogar zu einer Feier dazu, muss eben der Betroffene verzichten, es sei denn, sie oder er ist die Hauptperson.

Außerdem können Sie ja auch anbieten, eine Feier nachzuholen, wenn jemand wegen des Ausschanks alkoholischer Getränke nicht kommen kann: „Weißt Du was, ich finde es schade, dass Dich die Cocktailparty so triggert, dass Du nicht kommen kannst, aber ich kann das verstehen. Wir feiern meinen Geburtstag dann zu viert nach und machen einen alkoholfreien Abend draus.“

Toleranz zählt

Am Ende zählt wie eigentlich immer Toleranz – seien Sie entspannt, wenn jemand Ihren Lieblingsrotwein nicht mittrinken will. Und wenn Sie selbst ein Problem mit Alkohol haben, vermiesen Sie anderen nicht den Genuss am guten Tropfen.

Mehr zum Thema Alkoholismus finden Sie hier.

Die Illustration wurde mit der Midjourney AI erstellt.

 

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